Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen
Mit Urteil vom 28. September 2022, VIII R 20/20 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Der BFH widerspricht damit ausdrücklich der Aussage im BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2013, BStBl I2014 S. 63, wonach die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung einer GmbH voraussetzt, dass entweder im Gesellschaftsvertrag gem. § 29 Absatz 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag festgesetzt wurde oder die Satzung eine Klausel enthält, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann.
Nun nimmt das Bundesministerium hierzu Stellung, unter welchen Voraussetzungen die inkongruente Gewinnausschüttung steuerlich wirksam erreicht werden kann:
I. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
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Abweichende Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag
Es wurde im Gesellschaftsvertrag ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile festgesetzt und die Ausschüttung entspricht diesem Verhältnis. Für eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Regelung einer inkongruenten Gewinnverteilung ist die Zustimmung jener Gesellschafter erforderlich, die von der Veränderung nachteilig betroffen sind.
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Öffnungsklausel für abweichende Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag
Der Gesellschaftsvertrag muss eine Klausel, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter eine von der satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann enthalten, und der Beschluss ist mit den erforderlichen Gesellschafterzustimmungen und der ggf. im Gesellschaftsvertrag bestimmten Mehrheit gefasst worden.
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Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss
Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen. Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss liegt vor, wenn seine Auswirkung für den konkreten Einzelfall beschlossen wurde, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft geändert werden soll.
Ein satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss, mit Dauerwirkung für die Zukunft (und sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum), ist (selbst wenn dieser einstimmig gefasst wurde) nichtig, wenn bei der Beschlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen der Satzungsänderung (insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister) eingehalten werden.
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Gespaltene Gewinnverwendung, zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung
Im Urteil des BFH wurde ebenso festgestellt, dass ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem der auf den ein Mehrheitsgesellschafter den auf seine Beteiligung entfallene Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich ebenso steuerlich anzuerkennen ist. Dies gilt selbst dann, wenn zugleich die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden. Die Einstellung eines Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen.
Nach den Ausführungen des Bundesministeriums der Finanzen steht dies nun nicht mehr im Widerspruch zu den Hinweisen der Finanzverwaltung (H 20.2 „Zuflusszeitpunkt bei Gewinnausschüttungen – Beherrschender Gesellschafter/Alleingesellschafter“ EStH 2023).
Dies ist zu begrüßen, denn gerade im genannten Urteil wurden eben gerade keine Ausschüttungen beabsichtigt, sondern es sollte ausdrücklich eine Einstellung des Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage erfolgen, welche auch so von den Gesellschaftern beschlossen wurde. Somit stellt sich in dem so gelagerten Fall mangels Gewinnausschüttungsbeschlusses für diese Gesellschafter die Frage der Fälligkeit nicht.
II. Aktiengesellschaft (AG)
Bei einer AG sind inkongruente Gewinnausschüttungen nur anzuerkennen, wenn in der Satzung ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine inkongruente Gewinnausschüttung aufgrund
einer Öffnungsklausel in der Satzung oder eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses erfüllen diese Voraussetzung nicht.
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Sebastian Morgenstern
Dipl.-Kaufmann (FH)
Steuerberater
Partner
Fachberater für Internationales Steuerrecht
Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)
Fachberater für das Gesundheitswesen (DStV e.V.)